Man kennt es aus dem Fernsehen: Roter Teppich, Blitzlichtgewitter, gigantische Menschenmengen starren auf eine Leinwand, um ihre Stars in deren neuen Meisterwerken zu bewundern, bevor der Rest der Welt es einem gleichtun kann. Filmpremieren und Preisverleihungen strotzen nur so vor Glamour und Bedeutungsschwere, und da ist es eigentlich auch egal, ob es sich um den ‚Goldenen Bären’, die ‚Goldene Banane von Panama’ oder gar den ‚Oscar’ handelt — das Feeling ist doch immer das Gleiche.
Aber es sind eben doch nur die Stars und Sternchen, die in Hollywood oder Cannes die Blicke und die Kameras auf sich gerichtet fühlen und im Designerkleid mit makellos weißen Zähnen und feuchten Augen ihre Preise und das Lob entgegennehmen …
…dachten wir! Natürlich ist es nicht dasselbe, ob man nun mit einem Privatjet, sechs Bodyguards und einer Meute Reportern im Nacken zu einer solchen Veranstaltung reist, sondern von Mama in Seelenruhe dorthin chauffiert wird. Doch auf diese Weise besinnt man sich (wenn auch notgedrungen) auf das Wesentliche: Ich bin dabei, ich bin nominiert! Korrekt formuliert müsste es heißen: Wir sind dabei, wir sind nominiert! Denn um den immerhin 4‑minütigen Magazinbeitrag zu produzieren, für den wir nominiert waren, ist immerhin ein 7‑köpfiges Filmteam notwendig gewesen. Wie es überhaupt dazu gekommen ist, dazu ein kurzer ‚Flashback’ (das ist Fachsprache und bedeutet so viel wie ‚Rückblende’. Dies sei für alle Außenstehenden erwähnt J). Bevor der Schulalltag uns nach den Winterferien 07/08 wieder einholen konnte, nahm unser damaliger Jahrgang 10 an einem Medienprojekt namens ‚Medien machen Schule’ unter der Regie von Herrn Edelmann teil. Unterstützt durch den Offenen Kanal Kassel suchten wir dazu in Gruppen Themen aus, schrieben Drehbücher, recherchierten, interviewten, filmten und schnitten das Bildmaterial schließlich mit professionellen Programmen zu einer Vielzahl durchaus sehenswerter Magazinbeiträge zusammen. Im Mai wurde die Gruppe, die die Tätigkeiten unseres Hausmeisters als Thema ihres Beitrags gewählt hatte, mit der ‚Goldenen Ursula’ ausgezeichnet. Etwa 5 ½ Monate später — Anfang November- erreichte uns die frohe Botschaft, wir seien mit unserem kritischen Beitrag über Nebenjobs von Schülern für den ‚Hessischen Bürgermedienpreis’ nominiert. Die Preisverleihung sollte im Kulturbahnhof Kassel (Großes Bali) am Samstag, den 15. Nov. 2008, stattfinden — mehr wussten wir nicht! Unsere Spannung steigerte sich mit jedem Tag, mit dem das Event näher rückte.
Jetzt war es endlich soweit! Dem Anlass entsprechend zurechtgemacht, erwarteten wir (Hanna Prior, Sophia Weder, Carolin Sonnenschein, Kristin Wenzel, Sabrina Riemann, Gesa Schöttke, Hanna Fischer), unser Projektleiter Herr Edelmann und natürlich unser ‚Fanclub’ (bestehend aus unserer ehemaligen Klassenlehrerin Frau Anders sowie einer Handvoll interessierter Eltern und natürlich allen anonymen Unterstützern) die Verkündung des Siegers in unserer Kategorie ‚Jugendliche in Hessen’.
Insgesamt — so wurde uns erzählt- hatten in diesem Jahr 61 Einsendungen verschiedener Altersklassen und Kategorien die hessische Medienanstalt erreicht und sich somit um eine Auszeichnung beworben. Nicht unerwähnt sollte bleiben, dass über 5000 € Preisgeld auf die glücklichen Gewinner verteilt werden sollte und der ‚Kassel- Oscar’ (so der Name der zu gewinnenden Trophäe in Form des Himmelsstürmers) ein begehrenswertes Erinnerungsstück an den Höhepunkt der noch jungen Produzentenkarrieren darstellte. Nachdem wir uns bereits die Sieger-Beiträge anderer Kategorien angesehen bzw. angehört und die jeweiligen Gewinner beklatscht hatten, stand plötzlich der Moment vor der Tür, in dem es für uns um ‚Sieg oder Niederlage’ ging. 17 Einsendungen hatte es in unserer Kategorie gegeben, somit 16 zuviel, um sich des Sieges gewiss sein zu können, aber eben das machte ja auch den Reiz der ganzen Veranstaltung aus. Es wurde erklärt, dieses Jahr gebe es zwei 2. Plätze und selbstverständlich einen 1. Platz — die Chancen stiegen für uns, aber proportional dazu auch die Anspannung.
Es wäre zwar falsch zu behaupten, es hätte eine Atmosphäre wie bei der Oscarverleihung geherrscht, schließlich wurden die nominierten Filme vorher nicht alle zunächst einmal angespielt, es fehlte auch dieser Moment der knisternden Spannung, in der der ganze Saal schweigt und wie gebannt auf die Lippen der zum Verkünder erwählten Person starrt, der nach gefühlten fünf Minuten seine Stimme erhebt zu dem obligatorischen, die Anspannung der Nominierten auf den Höhepunkt treibenden, weltbekannten Ausspruch „And the winner is…“ …
…,aber egal wie wenig stark ausgeprägt die Emotionen des Verkünders waren, als er den Titel unseres Beitrags als einen der Zweitplazierten ausrief, so waren es unsere umso mehr.
Denn wer von uns hatte schon mit diesem Erfolg gerechnet?! Gehofft hatten wir alle, aber das Gefühl, wirklich auf dem Roten Teppich zu stehen, mit Blick auf einen Kinosaal voller Menschen und vor der Kinoleinwand, auf der wenige Sekunden zuvor ein Ausschnitt unseres Films vorgeführt worden war, das hatte sich keiner von uns zuvor ausmalen können.
Die Urkunde und die 250 € Preisgeld, die wir bekommen haben, versüßten uns unbestreitbar diesen Moment. Alles in allem stellten wir fest, dass sich die ‚Strapazen’ der Medienwoche nicht nur gelohnt hatten, sondern dass auch die Lust, weitere Filme zu drehen, in uns geweckt worden war. Der Appetit kommt ja bekanntermaßen mit dem Essen, und es wäre wirklich nur unerheblich übertrieben zu sagen, wir hätten jetzt einen Bärenhunger.
Wir hatten die Möglichkeit, an der großen weiten Welt zu schnuppern und wer weiß: Filme drehen wäre doch ein netter Nebenjob, nicht wahr?