„Das Leben ist Leiden. Der Tod ist die Schwelle zum Glück!“ , brüllt Graf Dracula dem Publikum entgegen. Es folgt ein leidenschaftlich geführter Disput zwischen dem legendären Graf Dracula und Mina Westerna, die Verkörperung gut behüteter Bürgerlichkeit, die ihr Leben in Einklang mit Gott und in froher Erwartung auf ihre bald bevorstehende Hochzeit mit Jonathan Harker im England des 19. Jahrhundert lebt. Es geht um das Leben, den Tod, die Freiheit und die Religion und letzten Endes gibt der geheimnisvolle Dracula unmissverständlich zu verstehen, dass das Böse nicht überwunden werden kann.
Die Theater-AG um Deutschlehrer Frank Lambert hat gut eineinhalb Jahre intensiv geprobt, um dem Publikum in drei Aufführungen das Resultat ihrer Dracula-Inszenierung präsentieren zu können. Und um eins vorwegzunehmen: Die zwei Stunden Spielzeit wurden mit gebührendem Applaus von den Sitzplätzen honoriert. Die Theater-AG kann sich ob der hervorragenden Aufführungen feiern lassen. Die Arbeit hat sich gelohnt! Doch neben all dem Jubel über die Schauspielkunst der 17 Darstellerinnen und Darsteller mischte sich auch ein Hauch von Wehmut, denn die Akteure auf der Bühne und das Publikum vermissten besonders einen Gast unter den Zuschauern: Martin Mulqueen. Der Freund und Lehrer der Ursulinenschule, der bei einem tragischen Unfall ums Leben kam, hat sich besonders für das Dracula-Projekt der Theater-AG stark gemacht. Ihm wurden die Aufführungen gewidmet.
Dracula ist eine Legende, die den Zuschauer mit in die fernen Kaparten zieht, wo der mysteriöse Graf sein Dasein pflegt. Der erfolgreiche Jonathan Harker, verkörpert von Hanna Prior, reist nach Bistritz, um dem Grafen eine Burg „mit Gruft“ zu vermakeln. An Schauermärchen über Grafen und blutrünstige Vampire glaubt im wissenschaftlich geprägten England keiner so richtig. Erst als Jonathan nicht zurückkommt und stattdessen der Graf höchstpersönlich ins friedliche Whitby reist, werden die Bewohner misstrauisch. Doch zunächst scheinen sie von der Eloquenz des Grafen angetan zu sein. Leonard Siebert brillierte in der Rolle des Grafen und verdrehte den weiblichen Einwohnern zunehmend die Köpfe. Erst als Lurray Murray (Ann-Kathrin Graf) stirbt und mysteriöse „Einstiche“ am Hals aufweist, werden die Bewohner hellhörig. Dr. Jeck Seward (Sophia Weber) kann sich den Todesfall nicht erklären und bittet Dr. Abraham Van Helsing um Rat. Die Auftritte Van Helsings gehörten zu den absoluten Highlights des Abends. Losgelöst von den verstaubten Vorgaben ermittelte Leonie Bernhard im Stile einer extrem abgebrühten, lässigen und stets mit Zigarette im Mund agierenden Topagentin. Die Verknüpfung des klassischen Draculastoffes mit humoristischen und modernen Elementen war der Erfolgsgarant der Inszenierung. Der Draculastoff wurde dadurch auf eine positiv erfrischende, aber keineswegs alberne Weise dargeboten.
Als es weitere Todesfälle im Irrenhaus gibt, verdichten sich die Vorzeichen, dass Graf Dracula hinter all dem steckt. Die Szenen im Irrenhaus gehörten zu den weiteren Tops des Abends. Hanna Prior spielte die Irre Renfield mit einer Intensität, die seines gleichen sucht.
In letzter Not beschließen die Freunde um Mina die Verfolgung des Grafen Dracula aufzunehmen. Gemeinsam reisen sie nach Bistritz, wo Mina, überzeugend von Hanna Fischer verkörpert, ihren Verlobten sehnsüchtig in die Arme schließen kann. Die Zuschauer wähnen sich im Happy-End und tatsächlich stehen sich Van Helsing und Graf Dracula im finalen Duell gegenüber. Die Konfrontation mündet im schicksalhaften „Schnick-Schnack-Schnuck-Spiel“. Graf Dracula gewinnt, denn Schere schneidet bekanntlich Papier. Die Guten müssen sterben und so hat an diesem Abend tatsächlich das Böse gesiegt. Anlässlich des Valentinstages entführt zu guter Letzt Dracula die Mutter der bemitleidenswerten Mina Westerna zum Abendessen.