Es war vielversprechend, womit der DS-Kurs unter der Leitung Martin Baumanns warb. Nach intensiven Arbeiten, die im Januar letzten Jahres begangen, stellte der Kurs der Q1 seine Ergebnisse am Dienstag, den 10., und Mittwoch, den 11. Dezember, vor versammelten Publikum im Treffpunkt dar. Titel der Inszenierung: “Die Welle. Irgendwann überrollt sie jeden.” Doch genau das tat sie nicht – zumindest noch nicht.
Als Vorlage diente zum einen Martin Rhues Roman “Die Welle” als auch die gleichnamige Verfilmung aus dem Jahre 2008. Auch wenn die Schüler das Stück komplett selbst schrieben, Szenen erneut änderten oder gar ganz strichen, so blieb das Ergebnis doch ziemlich nah an der Vorlage. Das ist keineswegs etwas schlechtes, das Problem lag vielleicht nur darin, dass Entwicklungen der Charaktere, die in Film und Fernsehen intensiv durch Nah- und Detailaufnahmen dargestellt werden können, auf der Bühne so eben nicht umzusetzen sind.
Das lag jedoch nicht etwa daran, dass den Schülern noch theoretisches Wissen zur genau dieser Darstellung mit theatralen Mitteln fehlt (wie es nach der Beendigung der E‑Phase eben der Fall ist) – denn eine Vielzahl von präzisen und wirkungsvoll eingesetzten Stilmitteln macht eine Inszenierung vielleicht besser, aber nicht zwangsweise gut. Viel mehr lag das Problem im Aufbau der Iszenierung. Ob beabsichtigt oder nicht, so war das Stück stark nach der Aristotelischen Dramentheorie aufgebaut. Jedoch mit einer Vernachlässigung: der Spannung.
Die einzig nachvollziehbare Wandlung auf der Bühne geschah durch die Ankündigung des Geschichtsunterrichts: Während die Schüler vor Beginn des Experiments noch mit einem Raunen auf die Ankündigung Davids (Moritz Röhlen) des Geschichtsunterrichts geantwortet hatten, so wandelte sich dies mit Fortlaufen des Experiments in begeisterte Zurufe.
Durch die Welle wurde eine Umgebung geschaffen, in der jeder miteinbezogen wird und jedes Mitglied gleichwertig ist. Das erlaubt es beispielsweise Robert (Florian Alter), seine Außenseiterposition zu verlassen und innerhalb der Welle Anschluss zu seinen Mitschülern zu finden. Dargestellt wurde die Gleichmachung der Schüler durch chorisches Anziehen von weißen Blusen und Hemden als auch durch eine Choreographie zum Harlem Shake, die das Publikum durch eine ohrenbetäubende Lautstärke wachgerüttelt hat. Während durch das Umziehen auf der Bühne deutlich wurde, dass sich zwei Schüler dem Anschließen der Welle sträuben während sich der Rest der Klasse dem Experiment hingibt, so hinkt doch die Harlem Shake Metapher. Irgendwie kannte jeder die einzelnen Schritte des Tanzes und alle machten mit – dem Publikum fehlte schlichtweg der Zusammenhang.
Das muss man dem Kurs lassen: Mit Musik können sie umgehen. So wurde immer dann eine beklemmende Audiolandschaft erzeugt, wenn sensible Themen angesprochen wurden. Beispielsweise dann, als nüchtern Statistiken über den Völkermord des NS-Regimes vorgetragen wurden, oder sich Laurie (Ronja Weber) vom Experiment entfernt.
Doch ist es nicht gerade am spannendsten, wie die Idee vom Experiment Feuer fängt und sich eine solche Gruppendynamik entwickelt? Oder, wie Laurie Saunders sich vom Experiment entfernt? Auch wenn man dann womöglich Gefahr läuft, sich vom Original zu entfernen. Dargestellt wurde beides, doch in einem solchen Tempo, dass die Entwicklung der einzelnen Charaktere auf der Strecke blieb. Laurie Saunders, anfangs noch überzeugt von der Idee des Experiments, erfährt nach einer Auseinandersetzung mit ihrer Mutter (Marie Friedrich) einen raschen Wechsel: Durch einen kritischen Brief eines jüngeren Schülers wechselt sie schlagartig die Fronten – szenisch dargestellt wird dies jedoch kaum. Potenzial bieten die Darsteller jedoch, man muss es nur ausschöpfen. Lobend hervorzuheben an dieser Stelle ist Florian Alter, der in seiner Rolle überzeugen konnte. Indem er sich die Haare zum Scheitel nach Hitlermanier gelte, so wurde nicht nur seine manipulierenden Art deutlich, sondern auch, wie sehr sich Robert innerhalb der Gruppe verändert.
Veränderung beim Bühnenbild hingegen bestand kaum bzw. nur in einer einzigen Form: Ein ständiges Hin- und Hertragen der weißen Kartons, die mal als Stuhl, mal als Konfliktpunkt zwischen Mutter und Tochter dienten. Die Funktion bestand jedoch zum Großteil zur Darstellung des Klassenraums, in dem sich die Darsteller in einer Reihe mit dem Rücken gewand zur Haupthandlung positionieren. So kraftvoll dieses Bild beim ersten Betrachten auch gewesen sein mag, so verlor es zunehmend an Attraktivität, da zum einen fast jede Szene auf eben diesem Aufbau beruhte, zum anderen durch eine massive Einschränkung des Blickfelds.
Auch wenn die Bühne des Treffpunkts mit Podesten vergrößert wurde, so wurde diese dennoch kaum benutzt. Besonders deutlich wurde dies, als es zu einem Konflikt zwischen David und Laurie kommt, hinter denen ein Kampf verbildlicht wurde. Warum nicht die Fläche der Bühne nutzen und Haupt- von Metainhalt trennen? Dann wirkt das Bild und es wird deutlich, dass nicht etwa Laurie an einem Kickboxkurs teilnimmt.
Potenzial der Gruppe besteht sicherlich. Nur gilt es, sich mehr der Charakterdarstellung auf der Bühne zu widmen, damit auch persönliche Entwicklungen deutlich werden. Und dann bitte auch ohne Schmuck und ohne Privatwerden. Kleiner Tipp: Auch wenn die Bühne dunkel ist und man sich sicher ist, dass das gelegentliche Haaremachen nicht zu erkennen ist – das ist es.
Anmerkung der Redaktion: Stücke mit anspruchsvollem Thema haben ebenso einen Anspruch auf Kritik. Dies soll in keinster Weise die Leistung des Kurses dezimieren, sondern viel mehr Ansporn sein, die Leistung noch zu verbessern. Mit der Teilnahme von Othello an den Hessischen Theatertagen, hat sich eine Plattform für harte, wenn auch angemessene Kritik ergeben. Wie auch wir davon einen großen Lerneffekt getragen haben, so möchte ich genau das auch diesem Kurs ermöglichen.