Sophie von der Ohe E1
Die 90er — das Jahrzehnt der Boybands und Girlgroups. Im Gegensatz zu „normalen“ Popbands mit einem Sänger, einem Gitarristen, einem Schlagzeuger und einem Bassisten bestanden diese meistens aus vier oder fünf jungen Erwachsenen, die alle mehr oder weniger für den Gesang verantwortlich waren. Die Auftritte wurden oftmals um Choreografien erweitert. Hinzu kam, dass die Bandmitglieder die Idole von tausenden von Teenagern zu der Zeit waren. Als Vorreiter aller Boy- und Girlbands gilt die Band „New Kids on the Block“, die Ende der 80er in den USA aufkam. Und nach diesem Vorbild wurde im Jahr 1990 in Manchester eine weitere Boyband gecastet, die auf eine einzigartige Bandgeschichte zurückblicken kann: Take That.
Zu Beginn bestand Take That aus fünf Mitgliedern: Gary Barlow, Mark Owen, Howard Donald, Jason Orange und Robbie Williams, die damals gerade mal zwischen 16 und 22 Jahre alt waren. Zwar konnte ihr erstes Studioalbum „Take That & Party“ bereits einige Erfolge aufweisen, aber der endgültige Durchbruch gelang ihnen erst 1993 mit ihrem zweiten Album „Everything Changes“ , das sofort an die Spitze der britischen Charts schoss.
Mit „Nobody Else“ erschien 1995 das vorerst letzte Album von Take That. Die dazugehörige Single „Back for Good“ gilt bis heute als ihr größter Hit. Doch gerade jetzt, da die Fünf auf ihrem Höhepunkt angekommen zu sein schienen, machten sich zwischen Barlow und Williams Spannungen breit. Eine der Hauptursachen dafür war, dass Barlow die meisten Songs komplett alleine schrieb und überwiegend die Hauptstimme übernahm. Die Situation eskalierte schließlich mit der Folge, dass Williams im Juli 1995 die Band verließ.
Am 13. Februar 1996 verkündeten die übrigen Bandmitglieder schließlich die Auflösung von Take That. Ein schwarzer Tag im Leben vieler junger, weiblicher Fans. Es wurden sogar Seelsorgehotlines eingerichtet, um die tief erschütterten Fans aufzufangen und zu verhindern, dass sich der ein oder andere vielleicht sogar etwas antun könnte.
Nach dem Ende der Band sagten nahezu alle Kritiker Gary Barlow die größte Solokarriere voraus. Dass es schließlich Robbie Williams sein sollte, der zu einem europäischen Superstar aufsteigen würde, damit hätten wohl nicht viele gerechnet. Tatsächlich schaffte er 1997 mit seiner Single „Angels“ den Durchbruch für eine unglaubliche Solokarriere. Barlow hingegen veröffentlichte zwei Alben, war aber ansonsten eher als Songschreiber für andere Künstler tätig. Auch Mark Owen brachte in der Zeit drei Studioalben heraus. Da er damit allerdings eine deutlich andere musikalische Richtung einschlug als bei zuvor Take That, blieben die Verkaufszahlen hinter den Erwartungen zurück. Howard Donald und Jason Orange hingegen versuchten nicht wirklich, eigene Solokarrieren voranzubringen. Während Donald hauptsächlich als DJ in Europa unterwegs war, belegte Orange Universitätskurse in Psychologie, Biologie und Geschichte und trat auch als Theaterschauspieler in Erscheinung.
Fast zehn Jahre nach der Trennung erschien 2005 die Dokumentation „Take That — For the Record“. Darin berichteten alle Bandmitglieder von ihrer Zeit bei Take That und gaben damit sehr private Einblicke, wie sehr sie in ihrem jungen Alter unter ihrem plötzlichen Ruhm gelitten hatten. Die Doku wurde ein voller Erfolg, sodass nur wenige Tage später bekannt gegeben wurde, dass Take That im folgenden Jahr auf Tour gehen würden. Allerdings fand diese Wiedervereinigung ohne Robbie Williams statt. Denn nachdem Williams mit der Veröffentlichung seines fünften Studioalbums „Escapology“ auf dem Höhepunkt seiner Karriere angekommen war, hatte er zunehmend mit Depressionen und Suchtproblemen zu kämpfen.
Nach der erfolgreichen Best-Of Tour veröffentlichten Take That noch im gleichen Jahr ihr Comeback — Album „Beautiful World“. Tatsächlich schloss sich der Erfolg des neuen Albums nahtlos an den Erfolg aus den 90ern an. 2009 erschien mit „The Circus“ das insgesamt fünfte Studioalbum. Mit der anschließenden Konzertournee, die als einer der besten Bühnenshows aller Zeiten bezeichnet wird, bewies Take That, dass sie zu Recht als einer der größten Live Acts überhaupt gelten.
Noch Ende desselben Jahres wurden Gerüchte laut, die Band würde bereits an Studioaufnahmen für das nächste Album sitzen — angeblich mit Robbie Williams. Doch erst im Juli 2010 wurde es offiziell bestätigt: Williams war der Band wieder beigetreten und würde an ihrem Album „Progress“ sowie der kommenden Tour mitwirken. Bei sämtlichen Fans löste diese Neuigkeit große Begeisterungsstürme aus, was zur Folge hatte, dass „Progress“ das schnellstverkaufteste Album im Vereinigten Königreich der letzten zehn Jahre wurde und Take That mit der neuen Live Tour ihren eigenen Kartenvorverkaufsrekord einstellten.
Nach der erfolgreichen Tour kündigten Take That an, erstmal eine Bandpause einlegen zu wollen. In dieser Zeit kümmerten sich Barlow, Owen und Williams um eigene Soloprojekte. Williams gab zudem bekannt, dass er bei den nächsten Alben von Take That nicht mitwirken würde, jedoch bleibe er weiterhin Bandmitglied. Mitte 2014 begannen Barlow, Owen und Donald mit den Aufnahmen für ihr nächstes Album, allerdings ohne Jason Orange, der zunächst noch unschlüssig war, ob er in der Band bleiben wollte. Im September gab er jedoch seinen endgültigen Ausstieg bekannt. Die anderen drei entschlossen sich dennoch dazu, mit den Aufnahmen fortzufahren und das Album als Zeichen für einen neuen Abschnitt „III“ zu nennen. Doch dem Erfolg des Albums und der Live Tour 2015 tat die neue Konstellation keinen Abbruch.
Für mich persönlich hat die Musik von Take That eine große Bedeutung, denn sie begleietet mich schon mein halbes Leben lang, da meine Mama seit den 90ern gerne ihre Songs hört. Doch erst seit einigen Monaten bin ich ein wirklicher Fan, mittlerweile vergeht kaum ein Tag mehr, an dem ich nicht mindestens ein Lied — oder besser gesagt ein ganzes Album — anhöre. Mir gefällt einfach die Mischung aus eingänigen Pop — Melodien, tiefgründigen Songtexten und den sanften Stimmen der Bandmitglieder. Und obwohl zwar alle fünf bereits über 40 sind, merkt man ihnen die Freude und den Spaß an ihrem Beruf mehr an als jemals zuvor.
Nächstes Jahr steht das 25 — jährige Bandjubiläum an, wofür großes geplant ist: Zunächst soll noch Ende dieses Jahres das achte Studioalbum herauskommen, und 2017 ein Greatest Hits — Album sowie eine Tour folgen. Während Orange’s Rückkehr so gut wie ausgeschlossen ist, steht noch nicht ganz fest, inwiefern Williams Teil der Tournee sein wird. Doch egal in welcher Konstellation Take That das Bandjubiläum auch begehen wird, ich bin mir sicher, dass sie garantiert keinen einzigen „Thatter“, wie sich die Fans selbst nennen, enttäuschen werden.