Ein Mann mit mindestens zwei Persönlichkeiten. Corey Taylor, gerade mal 1,70m und doch mit dem überragenden Willen einer waschechten Kämpfernatur, nimmt ganz sicher kein Blatt vor den Mund, wenn es darum geht die eigene Meinung kund zu tun. Egal ob als Frontmann seiner beiden Nu Metal- und Rockbands, Slipknot und Stone Sour, als Autor in seinen Büchern, Entertainer oder Privatmann. Und dabei entfesselt er hinter der Slipknot Maske das Biest oder gibt seinen Senf zu allerlei Themen in Interviews dazu.
In der Metal- oder Rockszene weiß jeder, wer er ist. Seinen Ruf erarbeitete er sich mit seinem großen gesanglichen Talent und seiner selbstbewussten Art. Wer Corey Taylor auf einer Bühne zu Gesicht bekommt, wird den Rotblonden mit Stiernacken in seinem Element erleben. So musste man in den Anfängen seiner Karriere noch zweimal hinhören, bis man dem Schreihals Symphathie entgegenbringen konnte. Seit einigen Jahren zeigt sich Taylor in etwas sanfteren Gefilden. Aber von „lieb“ kann bei dem 44-Jährigen keine Rede sein. Mittlerweile reicht sein stimmliches Talent von wütenden Schreien bis hin zum musikalischen Samthandschuh, der einen, vom letzten Screaming umgerissen, wieder auf die Beine stellt, nur um im nächsten Refrain wieder zum Schlag auszuholen.
„HILFE!“, heißt es von einigen, sieht und hört man die maskierten Slipknot Member mit brutalen Texten und nahezu verstörenden Musikvideos, doch Corey Taylor weiß, was er tut und das auch ganz sicher nicht ohne Grund. Er will wachrütteln, denn in seinen Augen steht die Menschheit kurz vor 12. Der Amerikaner, zwar Atheist, aber tolerant und mit einer Menge sinnvollen Argumenten ausgestattet, redet in seinen vier Büchern über Religion, stellt diese aus einem ganz neuen Blickwinkel dar, indem er selbst offen Parallelen zu seinem Leben zieht und einiges in Frage stellt („Seven Deadly Sins“ 2011), hinterfragt Paranormales und das Leben mithilfe seiner eigenen Erlebnisse („A Funny Thing Happened On The Way To Heaven…“ 2013), schreibt über den grauenhaften Zustand der Menschheit („You’re making me Hate You“ 2015) und wettert über die Schatten- und Sonnenseiten des Lebens in den vereinigten Staaten Amerikas („America 51“ 2017).
Ein Mann mit einer erstaunlichen Lebensgeschichte, der weiß, wovon die Rede ist, wenn er auf seine ganz eigene Art zu philosophieren beginnt. Nicht über den Sinn des Lebens oder sonstige Schönmalereien, nein. Taylor stellt die Menschheit unter die Guillotine und das auf eine Art, bei der sich ein jeder in der einen Zeile noch bestätigt und kurz darauf ertappt fühlt.
Corey Taylor ist einer meiner Lieblings Musiker und Autoren. Sein Wahn, alles zu hinterfragen und auszudiskutieren, scheint glücklicherweise noch lange kein Ende zu finden. Vielleicht sieht er es als Aufgabe selbst etwas zu bewirken und will zum Nachdenken animieren.
Seien wir ehrlich…der ein oder andere Mensch könnte noch einen kleinen Gewissensbiss vertragen, bevor er den nächsten Skandal lostritt und für so etwas sollte man Menschen wie Taylor schätzen. Er hat sein Leben in den Griff bekommen und ist — was das „Nicht- mit-Scheuklappen-durch-die-Welt-laufen“ angeht — definitv ein Vorbild. Taylor respektiert die Menschheit so sehr, wie sie es bei ihm tut — mit jeder Menge Schlagfertigkeit und nicht immer freundlich.
“Sin is a matter of opinion. Sins are only sins if you are hurting other people.” ‑Corey Taylor, Seven Deadly Sins
„Sünde ist eine Frage der Meinung. Sünden sind nur Sünden, wenn du anderen Menschen weh tust.“- Corey Taylor, Die Sieben Todsünden (deutsch)